Manchmal kommt es anders als geplant. Man folgt der Neugier, den Launen, der Spontanität – und plötzlich steht man in der Küche und backt eine Muskazin-Torte nach einem Rezept von etwa 1900. Ohne die leiseste Ahnung davon zu haben, was eine Muskazin-Torte ist.
Bei mir hat es sich in den letzten Jahren mehr oder weniger zufällig ergeben, dass ich alte Kochbücher sammle. Den Stein ins Rollen brachte ein Open House Flohmarkt, bei dem ich auf dem Dachboden einige stark beschädigte Seiten eines alten handgeschriebenen Rezepthefts und ein Rezeptheft von Dr. Oetker von 1895 entdeckte.
Ich habe aus Neugierde einen Gugelhupf nach einem Rezept aus diesem Dr.-Oetker-Heft gebacken. Der Gugelhupf schmeckte recht gut, aber wirklich begeistert war ich nicht. Die Neugierde auf alte Rezepte aber, die war geweckt.
Vorletzten Sommer kamen dann die Rezeptsammlungen meiner Mutter und meiner Oma in meinen Besitz. Da waren einige spannende Werke drunter, unter anderem ein 1895 in Kurrentschrift geschriebenes Büchlein mit Rezepten. Ich finde diese Rezepte faszinierend, aber schwer zu entziffern. Momentan arbeite ich mich gerade durch dieses Büchlein und tippe die Rezepte ab (in lateinischer Schrift natürlich 🙂 ). Wenn ich fertig bin, werde ich auf jeden Fall das eine oder andere Rezept nachbacken!
Der riesige Nachteil bei diesen richtig alten Rezepten ist allerdings der, dass oft nur die Zutaten vermerkt sind. Hinweise auf die Zubereitung oder das Aussehen der „Krapferln“ (=Kekse), Kuchen und Torten sucht man vergeblich.
Damit ich die Rezepte durch Vergleiche mit Rezepten aus derselben Zeit rekonstruieren kann, habe ich kurzerhand begonnen, alte Kochbücher zu kaufen. Flohmärkte sind sehr interessant und ergiebige Quellen!
Meine Sammlung an alten Kochbüchern aus verschiedenen Jahrzehnten ist mittlerweile gar nicht mehr so klein. Und weil ich nun mal so neugierig bin, habe ich beschlossen, einige dieser alten Rezepte nachzubacken. Ich möchte unbedingt wissen, wie ein Kuchen oder eine Torte mit über zwanzig Eiern im Teig schmeckt!
Für den Anfang habe ich mich an die Muskazin-Torte Nr. 2 aus dem Kochbuch „Die moderne Wiener Küche“ von Louise Fiala gewagt. Das Kochbuch stammt von ungefähr 1900, die genaue Jahreszahl scheint unbekannt. Bei einer Internet-Recherche stellte sich heraus, dass dieses Kochbuch 2012 neu aufgelegt wurde, unter demselben Titel wie das Original, Die moderne Wiener Küche: Praktisches Kochbuch* (Werbung). Wenn du willst, kannst du dich damit auf kulinarische Spurensuche begeben!
Kennt irgendjemand von euch eigentlich eine Muskazin-Torte? Ich habe in mehreren meiner alten Kochbücher Rezepte dafür gefunden; die Torte scheint um 1900 und auch später recht bekannt gewesen zu sein. Mir war sie jedenfalls kein Begriff. Ich wusste weder, wie sie zubereitet wird, noch wie sie aussieht.
Zubereitung der Muskazin-Torte: Ein Ratespiel – trotz Rezept
Bei der Zubereitung des Teiges bin ich daher ratlos vor der Rührschüssel gestanden: Laut Rezept werden Zucker und Eier verrührt, dann kommen die gemahlenen Mandeln und die Gewürze dazu. Heißt das nun, „schaumig rühren“ oder „kurz verrühren“? Ein kurzer Vergleich mit anderen Rezepten im Buch zeigte, dass es auch die Zubereitungsart „schaumig rühren“ gibt; die wird also wohl ausdrücklich so genannt. Ich entschied mich also für kurzes Verrühren.
Die zweite Herausforderung war die Optik. Laut Rezept kommt die Hälfte des Teiges in ein „Blatt“, also einen Tortenring, darüber Marmelade, dann der Rest des Teiges „in Ringen“.
Der Teig ist sehr weich und lässt sich nicht ausrollen. Ich habe ihn also mit dem Spritzbeutel mit glatter Tülle in Ringen aufgespritzt – auch wenn im Rezept nichts von einem Spritzbeutel steht.
Die dritte Herausforderung betraf die Backzeit. Dazu gab es keinerlei Angaben. Ich entschied mich für 45 Minuten bei 180° C Ober-/Unterhitze und hoffte, dass das reichen würde. Danach war der Kuchen oben hübsch gebräunt, aber ob er durch war? Ich hatte keine Ahnung!
Die Spannung vor dem Anschnitt war also groß, glaubt mir! Schon beim Schneiden spürte ich, dass dass die Torte innen sehr weich war. Sie war definitiv gebacken, aber nicht komplett durchgebacken. Vielleicht gehört das so; ich weiß es einfach nicht.
Ich persönlich hätte die Torte gerne etwas mehr durchgebacken. Beim nächsten Versuch würde ich daher die Backtemperatur auf 150 °C reduzieren und die Torte etwa eine Stunde oder länger backen; so gebe ich das auch im Rezept an.
Geschmackstest: Definitiv bestanden!
Mit dem Geschmack der Torte war ich allerdings sehr zufrieden. Die Muskazin-Torte schmeckt fast so wie eine Linzertorte, nur ist sie um einiges saftiger! Zimt, Nelken, Zitronen und die Schicht Ribiselmarmelade geben dem Teig diesen typischen Linzertorten-Geschmack. Dazu die vielen Mandeln – die Muskazin-Torte ist eine sehr feine Kombination aus wenigen, aber hochwertigen Zutaten!
Sehr interessant finde ich, dass der Teig kein Mehl enthält, kein Backpulver und keine Butter. Die Muskazin-Torte ist also glutenfrei und enthält nur das Fett aus den Mandeln. Das klingt doch recht zeitgemäß, oder?
Mich erinnert die Torte an Makronen, die bestehen ja auch hauptsächlich aus Ei, Zucker und Nüssen oder Mandeln. Wie Makronen ist die Torte außen knusprig, innen aber weich und feucht und saftig. Mit der Muskazin-Torte bin ich um einiges zufriedener als mit dem Dr. Oetker-Gugelhupf. Das Ergebnis macht mir Lust auf weitere Experimente!
Habt einen feinen Tag!
Muskazin-Torte nach einem Rezept von etwa 1900, laktosefrei
Die Muskazin-Torte nach einem Rezept von etwa 1900 ist sehr saftig und schmeckt herrlich nach Mandeln, Zimt, Nelken und Zitronen,
Zutaten
280 g Zucker
4 große Eier
420 g geriebene Mandeln
Schale von ½ oder 1 Zitrone, je nach Geschmack
1 EL Zimt
¼ TL Nelkenpulver
½ Glas Ribiselmarmelade
Zubereitung
- Eine Springform mit 26 cm Durchmesser sehr gut einfetten. Backrohr vorheizen auf 150° C Ober-/Unterhitze.
- Zucker und Eier kurz verrühren. Die Mandeln und die Gewürze dazu geben und unterrühren.
- Die Hälfte des Teiges in die Springform geben. Die Ribiselmarmelade darüber verteilen, dabei einen Zentimeter Abstand zum Rand halten. Die zweite Hälfte des Teiges in einen Spritzbeutel mit glatter Tülle geben. Den Teig in Ringen über die Marmelade spritzen.
- Die Torte etwa eine Stunde backen, bis sie an der Oberfläche leicht gebräunt ist. Aus dem Backrohr nehmen. Einige Minuten abkühlen lassen, dann den Rand der Springform vorsichtig mit einem Messer von der Torte lösen. Komplett abkühlen lassen und mit Staubzucker bestreuen.
*Werbung / Affiliate Link. Wenn ihr über diesen Link bestellt, erhalte ich eine kleine Provision. Für euch bleibt der Kaufpreis gleich. Danke für eure Unterstützung!
Liebe Eva,
da hast du dir ein spannendes Hobby gesucht, dem ich gebannt folge! Solche Experimente würden mir auch gefallen. Die Muskazin Torte klingt richtig lecker, davon gehört habe ich nie. Zwischendurch kam es mir ein bisschen so vor wie bei meiner Tarte Valbonnaise, bei der ich ja eigentlich die Backzeit von Herrn Michalak vorgegeben bekam, die aber nicht ausreichte (nach meiner Meinung). Die war ja, genau wie deine, zumindest obenrum auch ohne Mehl, schmeckte fantastisch, aber musste halt noch etwas nachgebacken werden. Aber was wäre unser schönes Hobby ohne solche Experimente. Mir wäre längst langweilig geworden, wenn ich nicht immer diese Herausforderung hätte.
Habt noch ein schönes restliches Wochenende! Ich habe so viel um die Ohren, dass es an diesem Wochenende wohl kein Rezept bei mir gibt.
Liebe Grüße Maren
Ich liebe solche Experimente – auch wenn man teilweise im Blindflug unterwegs ist und gar nicht so recht weiß, was man da tut 🙂 !
Mit Backzeiten habe ich oft Probleme. Ich frage mich oft, ob die Profis mit anderen Backrohren arbeiten als ich? Da muss man manchmal ganz schön mutig sein und auf das eigene Gefühl – und Wissen! – vertrauen.
Du klingst ein bisschen wie Heidi Klum: „An diesem Wochenende habe ich kein Rezept für euch.“ 🙂 Ich freu mich jedenfalls auf dein nächstes Rezept, ganz egal, wann es kommt!
Liebe Grüße und eine schöne Woche!
Eva
Ach du lieber Himmel, bloß nicht wie Heidi Klum klingen !!
Aber im Ernst: Blindflug ist tatsächlich manchmal der richtige Ausdruck. Aber hey, wir kriegen das hin! Oder?!
Zu der Heidi Klum sage ich besser nix 😉 ! Und ja, Blindflug bringt Spannung ins Leben, natürlich kriegen wir das hin 🙂 !
sehr interessant … werde ich auf jeden Fall mal nachbacken. Hast du Abstand zwischen den Ringen gelassen oder den Teig „deckend“ aufgespritzt? Danke und LG!
Ich habe Ringe mit ca. 3 cm Durchmesser gespritzt, in der Mitte blieben sie offen. Der Teig ging etwas auf, sodass man nicht bei allen Ringen die Marmelade sah 🙂 !
Liebe Grüße,
Eva
Liebe Eva, ein tolles Projekt. Man stellt es sich immer sehr romantisch vor alte Rezepte nachzubacken aber wie du richtig schilderst ist das eine richtige Herausforderung. Ein großes Lob daher für diese Torte, sie sieht so lecker und saftig aus und ist dir richtig gut gelungen. Ich bin gespannt auf deine zukünftigen Projekte! Liebe Grüße Steffi
Danke dir, Steffi 🙂 ! Wenn ich mir die alten Rezepte durchlese, bin ich immer erstaunt, wie sie es damals schafften, ohne elektrische Geräte zu backen. Backen im mit Holz geheizten Herd, schaumig rühren ohne Küchenmaschine – ich kann das nur bewundern! Wir haben es richtig einfach im Vergleich 🙂 !
Liebe Grüße! Eva
Liebe Eva, jetzt weiß ich auch was eine Muskazin-Torte ist. Alte Kochbücher besitze ich nicht, werde ab jetzt die Augen auf Flohmärkte offen halten.
LG, Diana
Oh ja, das lohnt sich 🙂 ! Ich wünsche dir viel Spaß beim Stöbern!
Liebe Eva,
diese Muskazin-Torte kannte ich bisher noch nicht. Nur Muskazinen waren mir ein Begriff. Das sind allerdings Plätzchen, die ihren Namen von Muskatnuss oder Muskatblüte erhalten haben sollen. Deshalb war ich auch erstaunt, das in deinem Muskazin-Torten-Rezept von Muskat überhaupt keine Rede ist. Denn ich dachte natürlich im ersten Moment, der Name würde auch vom Gewürz kommen. Ist aber anscheinend nicht so.
Herzliche ratlose Grüße aus dem Wilden Westen von München
Martin
Lieber Martin,
ich bin genauso ratlos wie du! Ich hatte ursprünglich auch gedacht, dass die Torte den Namen von Muskat hat, aber nichts da. Ich habe das Kochbuch gerade neben mir liegen. Es sind zwei Rezepte für Muskazin-Torte darin und sechs Rezepte für Muskazonerteig/-torten/-kuchen/-schnitten, und alle sind sie ohne Muskat. Ich gebe dir Bescheid, falls ich einmal herausfinden sollte, wo der Name herkommt! Das Thema beginnt mich jetzt zu interessieren!
Liebe Grüße aus Wels!
Eva
Lieber Martin,
du hast mich neugierig gemacht :-), und du hattest völlig Recht! Die Muskazintorte hat ihren Namen vom Muskat. Bei Wikipedia findet sich etwas über „Muskazine“; anscheinend war das ein Konfekt mit einer bestimmten Form. Hier der Link, https://de.wikipedia.org/wiki/Muskazine. Da gehörte u.a. Muskat bzw. Muskatblüte hinein.
Zwei Rezepte für Muskazintorten MIT Muskat fand ich hier, https://books.google.at/books?id=vJFFAQAAMAAJ&pg=PA337&lpg=PA337&dq=muskazin&source=bl&ots=-Ekaxp-CEP&sig=l7y0k7bTTYOsIqy7EofhICmEDGo&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjIpZKBlpXbAhVKYVAKHVabDi4Q6AEIYTAL#v=onepage&q=muskazin&f=false, Rezept 1370 und 1371.
Vielleicht hat Luise Fiala, die Autorin des von mir nachgebackenen Rezepts, die Bedeutung des Namens nicht gekannt?!? Oder es haben sich im Lauf der Zeit Varianten ohne Muskat entwickelt? Ich kann mir das nicht recht erklären! Es bleibt spannend!
Liebe Grüße
Eva
Hallo,
freue mich was über die Muskazintorte und ihre Geschichte gefunden zu haben.
In meiner Familie gibt es ein ganz ähnliches handschriftliches Rezept das auch auf diese Zeit zurück geht – nur hat sie ihren Namen verloren und wurde einfach Nusstorte genannt.
Es freut mich, dass du dich freust 🙂 ! Ich war/bin mir gar nicht sicher, ob ich das Rezept richtig umgesetzt habe. Die Angaben waren so ungenau! Ich finde es toll, dass bei euch dieses alte Rezept weitergegeben wird und dass es so geschätzt wird. Es wäre schade, wenn so ein Rezept verloren geht!
Liebe Grüße, Eva
Ich habe dies als weitere Referenz gefunden
Tut mir leid, ich spreche nur Englisch
https://www.google.com/books/edition/Vollst%C3%A4ndiges_Tiroler_Kochbuch_f%C3%BCr_deu/luxXAAAAcAAJ?hl=en&gbpv=0
P. 374-375
Vielen Dank für die Info und den Link! Das Rezept klingt interessant. Anders als mein Rezept, und trotzdem ähnlich!
Liebe Grüße, Eva